Zusammenfassung
Aus der Lokalisation der Lungenembolie an der komplex regulierten Schnittstelle von
Herz-Kreislauf-System und Gasaustauschsystem resultiert ein komplexes klinisches Sydrom
ohne ein einzeln hervortretendes klassisches Leitsymptom. Es addieren sich rechtskardiale
und systemisch-zirkula-torische Auswirkungen sowie zentrale Reflexmechanismen zu den
intrapulmonalen Folgen des gestörten Gasaustausches und der Infarkt- und/oder Atelektasenbildung
im betroffenen Strombahnareal. Diesem Mosaikbild auf »Makroebene« entsprechen komplexe
Abläufe auf »Mikroebene«. Dem primär mechanischen Verschluß schließen sich biochemische
Folgereaktionen an, die um so ausgeprägter erscheinen, je weiter peripher das embolische
Material gelangt. So wird die mechanische Gefäßokklusion begleitet von zum Teil ausgeprägten
Vaso-konstriktionen, für die neben den Thrombozyten mit Serotonin- und Thromboxanfreisetzung
eine Stimulation endogener Thromboxanbildung im Lungenparenchym primär verantwortlich
erscheint. Als Auslöser wirken hier sowohl das embolische Material selbst sowie unter
anderem Fibrinmonomere und Splitprodukte des Fibrinogens. Die sekundär hervorgerufene
inhomogene Vasokonstriktion trägt auch neben der Komponente der direkten mechanischen
Verlegung zu der ausgeprägten Gasaustauschstörung bei, mit Zerfall der Lunge in Regionen
mit sehr hohen und solche mit sehr niedrigen Ventilations-Perfu-sions-Quotienten.
Daß solche mediatorbedingten Vasokonstriktionen nicht nur kurzzeitig bestehen, zeigt
die Beeinflußbarkeit des chronisch erhöhten pulmonalen Widerstandes nach rezidivierenden
Thromboembolien durch (unspezifische) Vasodilatantien (20) sowie die eingangs erwähnte
Kasuistik einer fulminanten Lungenembolie, bei der 70 h nach dem embolischen Ereignis
noch eine erhebliche Reduktion des erhöhten pulmonalen Gefäßwiderstandes mit Hydralazin
erzielt werden konnte (5). Für die klinisch imponierende Tachypnoe ist sehr wahrscheinlich
ein über Lungenrezeptoren ausgelöster Vagusreflex mit Umstellung der Rhythmik des
Atemzentrums verantwortlich, während die kardialen Auswirkungen weitgehend aus der
Kombination mechanischer(akute Dilatation) und ischämischer (sinkende Koronarperfu-sion)
Belastung erklärt werden können. Für die Ausbildung eines proteinreichen (hämorrhagischen)
Ödems sowie die Atelektasenbildung im postembolischen Areal erscheint eine endotheliale
und epitheliale Schrankenstörung, akzentuiert bei erhöhtem linksatrialem Druck, als
primärer Auslöser. Relevante Mediatoren in diesem Zusammenhang sind die Granulozyten
und die im Lungenparenchym nach Stimulation gebildeten Lipoxygenaseprodukte der Arach-idonsäure.
Zum jetzigen Zeitpunkt besteht die Therapie der Lungenembolie in erster Linie in der
Verhinderung appositio-neller Gerinnungsvorgänge (Antiko-agulation), der Reduktion
des Primärereignisses (Lyse, Operation) sowie adjuvanter Kreislauf thérapie. Erste
Versuche mit unspezifisch wirksamen Vasodilatantien waren ermutigend. Eine weitere
Aufklärung des Stellenwertes der komplexen Sekundärmechanismen nach Lungenembolie
lassen für die Zukunft ihre gezielte therapeutische Beeinflußbarkeit erhoffen.